31. Mai – 07. Juni 2023
Waren die Berge bei Lillooet noch gewaltig und erinnerten an die raue Schönheit Norwegens, gleicht die Landschaft bis Williams Lake eher den Voralpen oder den sanften Hügeln Irlands. Unterbrochen wird die Idylle von grasenden Kühen lediglich durch regelmäßig vorbei rauschende Seen. Unzählige kleine Gewässer liegen am Weg, aber auch größere Seen wie der 108 Mile Lake oder der Lac la Hache.
Ich stoppe am Painted Chasm, einem Canyon, der sich unweit des Highways befindet und spaziere mit Wallie entlang des steil herab ragenden Rims entlang. Ich habe die Bärenglocke vergessen und da ich mich nicht mit Alex unterhalten kann, pfeife ich fröhlich Lieder vor mich hin, um potentiellen Bären anzukündigen, dass ich um die Ecke komme. Sicher ist sicher 😉
Williams Lake
Ich übernachte in Williams Lake direkt am See, wo ich am nächsten Morgen eine schöne Runde über kleine Stege und Inselchen mit Wallie joggen gehen kann.
Da meine vorderen Reifen schon ziemlich abgefahren sind, nutze ich die Gelegenheit in Williams Lake bei Kal Tire vorzufahren und mich beraten zu lassen – an und für sich ergibt es keinen Sinn die Reifen vor dem Dempster Highway zu tauschen, da sie auf der 1.600 Kilometer langen Schotterpiste sicher sehr in Mitleidenschaft gezogen werden; andererseits wäre es natürlich besser, ein möglichst gutes Profil für die bevorstehende Strecke zu haben. Meine Reifengröße ist (mal wieder) ziemlich schwer aufzutreiben, da die 225/70/R15C in Nordamerika nicht mehr produziert werden – in Ontario scheint es aber noch zwei auf Lager zu haben, die ich mir nach Whitehorse, Yukon, schicken lassen könnte, um sie dort zu wechseln. Mal wieder eine logistische Herausforderung.
Ich nutze den angebrochenen Tag, um weitere organisatorische Dinge voranzutreiben: beim Canadian Tire besorge ich mir ein Bärenspray, das ich für zukünftige Gegenden besser dabei haben sollte und im Visitor Center decke ich mich mit Karten- und Informationsmaterial für die bevorstehende Strecke in British Columbia und Yukon ein.
Ich verbringe eine weitere Nacht in Williams Lake und nutze den Morgenspaziergang mit Wallie dazu, mir die zahlreichen Murals in der Stadt anzuschauen. Das hat mich in Sherbrooke, Quebec, schon so fasziniert und auch hier sind wirklich schöne Wandgemälde dabei. Eine tolle Variante, Geschichte und Graffiti künstlerisch miteinander zu verbinden.
Von Williams Lake nach Prince George
Die Fahrt nach Prince George führt über den Cariboo Highway mehr oder weniger parallel zum Fraser River. Nennenswerte Sehenswürdigkeiten gibt es unterwegs nicht – man fährt einfach entspannt durch Farmland, sanfte Berge und grüne Wälder.
In Quesnel halte ich an der Dumpstation und während ich meinen zweiten Kanister hole, fährt ein Wohnmobil neben mir vor. Als ich zurück zum Wasserhahn komme, wo man die Kanister ausspült, stelle ich fest, dass mein Reinigungsspray, das ich dort habe stehen lasse, verschwunden ist. Es ist mehr als offensichtlich, dass es sich nur der Mann eingeheimst haben kann und ich frage ihn, ob er meinen Reiniger gesehen hat. Er verneint. Ich überlege kurz, ob ich in eine Diskussion gehen soll, mir ist es wegen der paar Dollar aber tatsächlich einfach zu dumm. Außerdem hat er eh gestunken (der Reiniger, nicht der Kerl). In Gedanken wünsche ich dem unehrlichen Typen einen platten Reifen und fahre weiter. Als kleine Entschädigung darf ich an einer Co-op Tankstelle kostenlos duschen und finde einen Rastplatz kurz vor Prince George, auf dem ich ungestört die Nacht verbringen kann.
Prince George
Bis zum nächsten Nachmittag bin ich damit beschäftigt, Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke zu sortieren, Routen zu entwerfen und ein ungefähres Zeitgefühl dafür zu entwickeln, wieviel Zeit ich mir bis Dawson City lassen kann. In Prince George möchte ich dann einen entspannten Spaziergang mit Wallie im Cottonwood Island Nature Park unternehmen – und wir werden trotz Mückenspray bei lebendigem Leibe gefressen. So schlimm habe ich eine Mückenplage tatsächlich noch nie erlebt, selbst beim Gehen wird man in dicken Schwärmen umkreist, sie setzen sich sogar auf die Augenbrauen und Augenlider. Aus dem entspannten Spaziergang wird eine Hetzjagd zurück zum Auto. Für die niedlichen Holzschnitzereien in den Bäumen habe ich leider nur ein beiläufiges Auge.
Alternativ spazieren Wallie und ich noch ein wenig durch Downtown Prince George – hier halten sich die Mücken in Grenzen, dafür ist die Stadt voller Menschen mit Tattoos, die zielstrebig in Richtung Festhalle streben. Scheinbar findet irgendeine Art Tattoo-Festival statt. Wir machen uns auf den Weg zum Pinoccio-ähnlichen Maskottchen der Stadt und verlassen anschließend die Stadt.
Prince George mag die größte Stadt im nördlichen British Columbia sein – aber abgesehen von allen notwendigen Versorgungsmöglichkeiten hat sie leider wenig Schönes zu bieten.
Hier teilen sich allerdings die Highways: man kann die Reise entweder strikt gen Norden fortsetzen und den Alaska Highway erkunden – oder man macht einen westlichen Schlenker und weicht auf den (schöneren) Cassiar Highway aus.
Was meinst du, wie ich mich entscheiden werde? 😉
Fort St. James
Ich fahre natürlich über den Yellowhead Highway, der später zum Cassiar Highway führt. Erster Stop entlang der Strecke ist das kleine Örtchen Vanderhoof, wo mir das Museum empfohlen wurde. Direkt neben dem Visitor Center kann man einen kleinen Streifzug durch die Geschichte unternehmen und sich mit dem Leben aus dem späten 19. / beginnenden 20. Jahrhundert auseinandersetzen. Eine knappe Stunde nördlich von Vanderhoof kann man die Geschichtsstunde im Fort St. James fortsetzen – ähnlich wie schon im Fort Louisbourg in Nova Scotia zu Beginn unserer Reise taucht man hier mit Hilfe von kostümierten Darstellern in die Geschichte ein.
Fort St. James war seit dem frühen 19. Jahrhundert ein Handelsplatz für Pelze – bis 1952 war die einsame Basis der Jäger bemannt (im wahrsten Sinne des Wortes: Frauen waren im Fort verboten).
Gleich das erste Gebäude, das ich betrete, ist das Pelz-Warenhaus – und allerlei gehäutete Tiere hängen von den Wänden. Sollte man eigentlich drauf gefasst sein, ist aber einfach so absolut gar nicht meine Welt und ich kann die Begeisterung, mit der die kostümierte Darstellerin von den verschiedenen Tieren erzählt, nicht so ganz teilen. Insgesamt ist die historische Stätte aber wirklich schön aufgearbeitet und meiner Meinung nach ein lohnenswerter Abstecher – auch wenn man die 55 Kilometer Detour vom Highway auf demselben Weg zurück fahren muss.
Wanderung Mount Pope (1.465 m)
Damit sich der Abstecher nach Fort St. James noch etwas mehr lohnt, kann man einen Spaziergang entlang der Uferpromenade des Stuart Lakes unternehmen – oder noch besser, man nimmt die Wanderung auf den Mount Pope Gipfel in Angriff.
Da ich die 14 Kilometer lange Tour am frühen Morgen beginnen möchte, verbringe ich die Nacht auf dem Wanderparkplatz und begegne am Abend auf meiner Gassirunde mit Wallie Mama Bär mit ihren drei kleinen Babys. Wow, wie eindrücklich! Natürlich habe ich weder meine Bärenglocke, noch das Spray oder die Kamera dabei. Die kleine Schwarzbärenfamilie ist aber in sicherer Distanz von uns (und Wallie hat sie nicht entdeckt), sodass ich ihn zurück ins Auto bringen und dann mit der Kamera bestückt noch mal los ziehen kann. Ich sehe die kleinen schwarzen Bären freudig durch die Wiese hüpfen, aufs Foto schafft es aber nur die Mama.
Da ich nun weiß, dass es hier definitiv Bären gibt (was man ja grundsätzlich immer weiß, wenn man in dieser Region Kanadas unterwegs ist, aber nachdem man sie live gesehen hat, fühlt es sich noch mal anders an), wappne ich mich am nächsten Tag vorsorglich.
Mit Wallie um die Hüfte, Rucksack, Bärenspray am Gürtel und Kamera am Brustgurt komme ich mir vor, als würde ich zu einer Expedition starten, aber zumindest habe ich alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Zum Gebimmel der Bärenglocke machen wir uns an die knapp 800 Höhenmeter Steigung.
Der Weg führt eigentlich die gesamte Zeit durch den Wald, nur hier und da blitzt der Stuart Lake mal zwischen den Bäumen hervor. Dafür ist der Ausblick von ganz oben dann umso gewaltiger: was für ein Panorama! Wir gönnen uns eine lange Pause und lassen den Blick über die Ausläufe des Sees und die vielen kleinen Inselchen darin gleiten. Hach, Kanada, du bist schon schön.
Fraser Lake & Burns Lake
Zurück geht die Wanderung auf demselben Weg – und anschließend ziemlich müde ins Auto und bis zum Fraser Lake. Hier gibt es einen kostenlosen kleinen Stellplatz direkt am See – ich hatte befürchtet, dass er sehr frequentiert sein würde, doch mit mir stehen nur zwei weitere Camper. Ein schöner Platz, um den Tag ausklingen zu lassen, vor allem als der Sonnenuntergang gegen 22 Uhr malerische Farben an den Himmel zaubert.
Man merkt deutlich, dass man sich immer mehr der Mitternachtssonne nähert – es wird bereits um 4 Uhr hell und erst gegen 23 Uhr wirklich dunkel.
Tatsächlich ist der Platz wirklich schön und ich bleibe spontan noch eine zweite Nacht. Unternehme eine Joggingrunde auf den Mouse Mountain – der anders wie der Name vermuten lässt gar nicht so klein ist und mir mal eben 10 Kilometer und einiges an Höhenmeter in die Beine zaubert. Danach kann ich den Muskelkater nicht mehr leugnen und verbringe den restlichen Tag eher entspannt am Camper.
Am Abend gibt es nochmals einen herrlichen Sonnenuntergang zu bestaunen, ehe die Fahrt am nächsten Tag nach Smithers geht. Hier stehen wieder einige Wanderungen auf dem Plan!