24. April -02. Mai 2023
Neue Freunde und alte Probleme
Meine erste Nacht in Washington verbringe ich am Parkplatz des Cape Horn – hier startet ein 7 Meilen langer Rundwanderweg, der einen zu tollen Aussichtspunkten über den Columbia River bringt. Irgendwie lustig, jetzt von der Washington Seite auf die Gorge zu schauen, die ich vor einigen Tagen von Oregon aus noch befahren habe.
Am nächsten Morgen hält ein Auto mit Pferdeanhänger neben mir – ich bin gerade am Telefon und wundere mich noch ein wenig, dass die zwei Frauen ständig zu mir rüber schauen. Am Nachmittag erhalte ich schließlich eine Nachricht über Instagram von einer deutschen Frau – sie hätte mich gesehen und gehört, dass ich deutsch spreche. Wir verabreden uns spontan zum Abendessen und verbringen einen schönen Abend zusammen – sie ist vor 30 Jahren nach Amerika ausgewandert und lebt mittlerweile in Washington mit ihrem Mann, den Pferden und Hunden. Ich kann mit meinem Camper auf ihrem Hof schlafen und es wird später Nachmittag, bis ich am nächsten Tag aufbreche.
Was für eine schöne Art, neue Freundschaften zu schließen!
Alex hatte noch einen Werkstatt-Termin in Portland, der leider wieder erfolglos war, da sie das Fehlerlesegerät nicht an das Auto anschließen konnten – sie muss also wieder mal unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Mittlerweile hat sie ja zweierlei Probleme: bei kalten Temperaturen bekommt sie eine Fehlermeldung der Vorglühkerzen, bei warmen Temperaturen meldet sich das Motorstottern, das sie bereits seit Hamburg (!!) begleitet. Für beides können wir hier keine Lösung finden, da niemand weiß, was das Problem ist bzw. sich niemand an die Vorglühkerzen traut.
Sie holt mich also bei Kirsten vom Hof ab und wir fahren gemeinsam weiter gen Osten entlang des Columbia Rivers. Wir übernachten am Fluss und halten am nächsten Tag in White Salmon – hier wurde uns von Kirsten eine der besten Bäckereien Amerikas empfohlen und natürlich können wir uns das als Deutsche nicht entgehen lassen, wenn es in Amerika irgendwo gute Backkultur gibt.
Wir verwöhnen uns mit einem Gruyere-Schinken-Brötchen und einem Mandelkuchen zum Frühstück und nehmen ein frisch gebackenes Roggenbrot mit nach Hause. Was für eine Abwechslung nach der Toast- und Weißbrotkultur der letzten Monate!
Entlang des Columbia River in Washington
Von White Salmon fahren wir weiter entlang des Columbia River auf dem alten Highway, der etwas erhöht durch die Berge führt. Von hier hat man eine tolle Aussicht auf den Fluss und kann am Catherine Creek stoppen, um eine kleine Wanderung zu unternehmen. Der untere Loop ist gerade einmal 45 Minuten lang und bietet tolle Blicke auf den Mount Hood – die Sonne strahlt vom Himmel und mit einem Schlag sind auch die Blumen draußen. Eine erster Eindruck von Frühling nach einem sehr langen Winter!
Beeindruckend ist auch, wie unglaublich schnell sich die Landschaft verändert – ist man zu Beginn bei Portland noch in tiefen Wäldern mit nebeligen Wasserfällen unterwegs, findet man sich bei Catherine Creek eher in einem irischen Hochland wieder. Noch weiter östlich durchquert man ein felsiges Gebiet und kommt durch etliche Tunnel, bis man bei Stonehenge plötzlich inmitten einer trockenen Wüstenlandschaft landet. Dennoch sieht man hier bereits Apfel- und Weinplantagen – tatsächlich befindet sich das zweitbeste Weinanbaugebiet der USA hier entlang der Columbia River Gorge (nach Kalifornien natürlich).
Bis ganz ins Weinanbaugebiet kommen wir allerdings leider nicht, sondern biegen vom Stonehenge Denkmal, das den Toten des 1. Weltkriegs gewidmet ist, Richtung Norden ab und fahren durch Gebiet der First Nations nach Yakima. Hier füllen wir ein paar Lebensmittelvorräte auf und übernachten hinter Ellensburg an einem Rastplatz des Highways. Das ist zwar nicht schön, aber praktikabel und gibt uns etwas Zeit, die Planung voran zu treiben.
Leavenworth – welcome to Bayern
Die Fahrt führt weiter nördlich nach Leavenworth – auch bekannt als bayrisches Dorf. Ich war mir erst nicht sicher, ob ich mir die amerikanische Version von Deutschland unbedingt antun möchte – im Nachhinein bin ich aber ganz froh, dass Alex mich überredet hat. Schon die Fahrt dorthin erinnert landschaftlich an Österreich oder das Allgäu – und der entsprechende Baustil vor Bergkulisse macht das Bild dann perfekt.
Der ganze Ort wurde dem deutschen Stil angepasst – es gibt deutsche Bäckereien, Restaurants mit Leberkäse, Schnitzel und Roulade, durch den Ort fahren Pferdekutschen und in den Souvenirgeschäften gibt es Lederhosen und Räuchermänchen zu kaufen. Warum das Ganze so ist? Weiß irgendwie niemand so genau. Aber Deutschland wird hier gelebt und gefeiert. Und ehrlicherweise muss ich sagen, dass wir uns der Jodelmusik und dem Kitsch für einen Abend tatsächlich ganz gerne hingeben. Irgendwie ist es nach der langen Zeit mal wieder ein willkommenes Eintauchen in heimische Kultur – selbst wenn sie nur künstlich produziert wird.
Die Camper können wir praktischerweise in einer Nebenstraße parken und so wird der Abend feuchtfröhlich. Als die Kneipen gegen 23 Uhr langsam schließen, feiern wir noch ein wenig bei eigener Musik im Pavillon des Dorfzentrums weiter und genießen die kitschig-romantische Beleuchtung der bayrischen Gassen.
Tags drauf spazieren wir mit den Hunden durch den Waterfront Park entlang des Wenatchee Rivers und machen anschließend noch einen kleinen Abstecher in den Lake Wenatchee State Park. Es ist der erste richtig warme Frühlingstag und wir genießen es, im leichten Sommerkleid durch den kühlen Wald zu spazieren. Ein ganz anderes Bild bietet sich allerdings schon wieder kurz darauf: Richtung Seattle müssen wir nochmal durch die Berge und hier wurde gerade erst vor Kurzem die Skisaison beendet, entsprechend liegt überall noch eine ganze Menge Schnee. Wir übernachten direkt auf dem Stevens Pass und holen ganz schnell unsere Daunenjacken wieder raus.
Schlaflos in Seattle
In Seattle haben wir dann allerdings Meereshöhe erreicht und auch wenn es einer der schönsten und längsten Winter war, die ich jemals hatte, so darf es jetzt Anfang Mai auch mal Sommer werden.
Wir finden einen Schlafplatz im Interlaken Park ein wenig außerhalb von Downtown – hier kann man angenehm im Schatten mit den Hunden spazieren und joggen. Meine Joggingrunde wird allerdings bereits nach einem Kilometer unterbrochen, da mir Wallie zusammen bricht – ob vor Anstrengung oder aufgrund seines Tumors weiß ich nicht genau, normalerweise hatte er eigentlich nie Probleme beim Joggen.
Für mich aber Anlass genug, mich am nächsten Tag nochmals ausgiebig hinters Telefon zu klemmen: ich kann dem Tumor tatsächlich täglich beim Wachsen zusehen und möchte das Thema schnellstmöglich erledigt wissen. Tatsächlich schaffe ich es, einen früheren Tierarzt-Termin in Vancouver zu organisieren. Das heißt für uns zwar, dass unsere geplante Route über die Olympic Peninsula und über die San Juan Inseln ausfallen muss, da wir plötzlich nur noch zwei Tage haben, bis wir in Kanada sein müssen, aber die Gesundheit der kleinen Fellnase steht aktuell einfach an erster Stelle.
Seattle im Schnelldurchgang
Uns bleibt also nur Zeit für einen kurzen Spaziergang durch Seattle, um zumindest einen kleinen Eindruck der Stadt zu gewinnen. Am schwierigsten gestaltet sich die Parkplatzssuche in Downtown für die zwei großen Autos – fündig werden wir schließlich in der Nähe des Olympic Sculpture Park. Dort laufen wir dann auch als erstes hin – es gibt einige Kunstwerke zu bestaunen, sowie einen tollen Blick aufs Wasser. Auch das Wahrzeichen von Seattle, die Space Needle kann man von hier aus gut erspähen.
Wir folgen der Waterfront zum großen Riesenrad am Wasser. Hier wird es sehr touristisch – Fischrestaurants und Souvenir-Geschäfte reihen sich aneinander, daneben befindet sich eine riesige Baustelle. Großstadt-Flair eben!
Über den Pike Market – einer riesigen Schlemmer-Halle – laufen wir zurück zu den Autos. Es gäbe noch so viel mehr zu sehen, mich persönlich hätte logischerweise das Museum of Flight sehr interessiert, aber dafür muss man einfach Zeit einplanen können und die haben wir aktuell leider nicht. Wir begnügen uns damit, einmal um die Space Needles herum zu fahren und statten dem kleinen Gnom, der unter einer Brücke wohnt, einen Besuch ab. Damit ist unsere Zeit in Seattle tatsächlich auch schon vorbei und wir fahren weiter gen Norden.
Abschiedsstimmung
Wir übernachten am Chukanut Drive, einer Panoramastraße zwischen Burlington und Bellingham und sehen das erste Mal seit langem das Meer wieder. Und wer steht ebenfalls dort auf dem Parkplatz? Der liebe Björn mit seinen zwei Hunde-Damen. Die Wiedersehens-Freude ist groß und wir verbringen den letzten Abend zusammen in den USA. Für Alex und mich irgendwie ein komisches Gefühl: wir hatten noch nicht damit gerechnet, dass es plötzlich so schnell nach Kanada geht und auch wenn wir uns natürlich sehr auf das freuen, was uns dort noch alles erwarten wird, so sind wir irgendwie trotzdem traurig.
Fast 7,5 Monate sind wir in den USA gewesen – mit einer einmonatigen Heimatunterbrechung. Wir haben das Land in unser Herz geschlossen, großartige Menschen kennen gelernt und atemberaubende Landschaften gesehen. Ich war nie ein Fan von Amerika und es hat mich nie groß gereizt, hierher zu kommen – und nun muss ich sagen, dass ich tatsächlich ein Teil meines Herzens hier lasse.
Danke für einen großartigen Roadtrip – See you soon, America.