04. September – 16. September 2022
Zurück auf dem Festland
Von der Bruce Peninsula kommend muss man die Fähre nehmen, um nach Manitoulin Island kommen. Im Norden gibt es eine Brücke, welche die Insel mit dem Festland verbindet. Sehenswürdigkeiten werden langsam knapp, sodass wir dem Transcanada Highway bis nach Sault Ste. Marie ohne Zwischenhalte folgen. Immer mal wieder erhascht man einen Blick auf wunderschöne Seen oder fährt sogar am Ufer des Lake Huron entlang. Ansonsten ist die Gegend sehr landwirtschaftlich geprägt und große Werbeschilder entlang des Highways laden dazu ein, Jesus Christus zu lieben. Lachen muss ich, als ich auf dem Highway eine Kutsche überhole. In Deutschland undenkbar.
Sault Ste. Marie scheint auf den ersten Blick wenig zu bieten zu haben und bietet sich lediglich als Auffüllstation an, bevor es wieder zurück in die Natur geht. Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz eines Hundeparks und Wallie freut sich, dass er in dem Gehege ohne Leine laufen kann.
Tags drauf machen wir von eben jenem Faktor einer Auffüllstation Gebrauch: tanken, Wasser, Abwasser, bei der Gelegenheit auch mal die Abwassertanks reinigen, Reifendruck messen, Flüssigkeiten im Motorraum checken, einkaufen – und wie eigentlich fast jedes Mal dauert all diese Organisation fast den ganzen Tag, weswegen wir erst zum Sonnenuntergang an einem Stellplatz am Lake Superior ankommen. Hier trennen sich am nächsten Tag wieder die Wege – Alex und Sebastian müssen etwas schneller voran kommen, um am 14. September in Winnipeg zu sein, meine zeitliche Planung erlaubt mir den 19. September, weswegen ich ein paar ruhige Arbeitstage am schönen Ufer des Lake Superior einlegen möchte.
Pläne – und wieso es immer anders kommt
Ich fahre zur Pancake Bay, wo es einen herrlichen Platz direkt am See gibt – und beschließe angesichts der Feuerstellen noch einmal schnell loszufahren, um Feuerholz zu kaufen. Doch beim Starten stelle ich fest, dass sich meine Kupplung durch tritt – sie hat einfach keinen Druck mehr und kommt nicht mehr hoch. Glücklicherweise stehen noch zwei weitere Camper mit mir auf dem Platz und ich frage sie nach ihrem mechanischen Geschick. Gemeinsam schauen wir uns die Sache an – es scheint, als hätte die Kupplung keine Flüssigkeit mehr, denn ich entdecke, dass von irgendwoher Flüssigkeit ausgetreten ist. Allerdings können wir nicht so recht orten, von wo.
Normalerweise würde man so etwas mal schnell googeln und sich etwas einlesen, doch wie sollte es anders sein: natürlich gibt es genau an diesem Spot keinen Empfang. War ja auch schließlich genau das, was ich wollte: mal ein paar Tage Ruhe, Zeit für mich, vielleicht sogar mal ein Buch in die Hand nehmen. Nur hätte ich nicht erwartet, dass es das Fiat Handbuch sein wird.
Einer der anderen Camper, Rich, fährt mit mir ein Stück zurück auf dem Highway, wo es Empfang gibt und wir befragen YouTube und Google zum Thema. Alles deutet auf die Bremsflüssigkeit hin, doch zurück am Camper stellen wir fest, dass mein Motorraum gänzlich anders aussieht als im YouTube Video. Wir kommen also leider nicht weiter und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich am nächsten Tag abschleppen zu lassen.
Rich ruft den Abschleppdienst, ich warte derweil auf Alex und Sebastian und bringe sie auf den aktuellen Stand. Der Abschlepper taucht gegen 15 Uhr auf – und ich muss sagen, es ist ein durchaus schmerzhaftes Unterfangen, seinem Camper dabei zuzusehen, wie er aufgeladen und abtransportiert wird.
Wir fahren dem Abschleppwagen hinterher und lassen ihn beim NAPA Classic Automotive in Sault Ste. Marie abliefern – dort tauchen wir 5 vor 5 auf, sodass es gerade noch ausreicht, die Daten aufzunehmen, bevor die Werkstatt Feierabend macht. Wir können jedoch die Nacht in den Campern auf dem Hof verbringen, sodass schon mal keine Übernachtungsgebühren anfallen – was natürlich ein großer Posten ist. Auch das Abschleppen selber hat mich im Endeffekt nichts gekostet, da Rich es über seine CAA-Karte (quasi den kanadischen ADAC) laufen lässt. Wie unglaublich lieb!
Werkstatt – Klappe die Elfte
Am nächsten Morgen geht mein Camper in die Werkstatt – und wohlwissend, wie schwierig die Ersatzteilbeschaffung ist, telefoniere ich parallel mit meiner Werkstatt zu Hause und versuche schon mal, die benötigten Teile aufzutreiben. Alles deutet auf den Kupplungsnehmerzylinder hin. Schließlich findet Nico ein Angebot aus Estland, welches angeblich am 13. September nach Kanada liefern kann – so schnell schafft das sonst keiner. Ich schlage sofort zu und schicke die Bestellung raus.
Alex hat derweil entschieden, sich ihre Ersatzteile ebenfalls hier einbauen zu lassen – wenn ich schon in einer Werkstatt hänge, dann kann sie ihre Angelegenheit ja auch direkt hinter sich bringen. Und so befinden sich am nächsten Tag schließlich wieder beide Vans in der Werkstatt, Ein Anblick, an den wir uns hoffentlich nicht gewöhnen müssen!
Am Nachmittag dann die Schocküberraschung: plötzlich fährt mein Auto rückwärts aus der Garage raus. Wie kann das sein…? Wie sich heraus stellt, war die Steckklammer zwischen Getriebe und Kupplungsnehmerzylinder verkehrt herum und das hat die gesamte Hydraulikleitung ins Stocken gebracht. Ich kann es nicht fassen – mein Van ist repariert, dabei hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass ich die nächsten zwei Wochen auf dem Hof der Werkstatt campiere und mich die ganze Ersatzteil-/Verschiffungs-/und Einbaugeschichte einiges an Geld kosten wird.
Dafür ist Alex Auto nicht fahrtauglich – der Einbau der Ersatzteile zieht sich einen weiteren Tag in die Länge.
Am nächsten Tag nutzen wir die Zeit und backen den Jungs aus der Garage einen Kuchen als Dankeschön für ihre Mühen – nicht nur schieben sie permanent unsere Vans in die Garage rein und raus, damit wir über Nacht in unseren Autos schlafen können, nein, wir können sogar bei Andrew, dem KFZ-Meister am Abend in seinem Haus duschen. Diese Gastfreundschaft und Herzlichkeit ist einfach unglaublich.
Dummerweise platzen wir bei der Übergabe unseres Kuchens direkt in eine Geburtstags-Grill-Mittagspause – und bekommen kurzerhand ebenfalls einen Burger in die Hand gedrückt. Hab ich schon erwähnt, wie nett die Kanadier sind?
Leider stellt sich dann am Nachmittag allerdings heraus, dass die eingebauten Ersatzteile von Alex das Problem ihres Motorstotterns immer noch nicht behoben haben – die letzte Vermutung geht in Richtung des Oxygen Sensors, diesen müssen wir allerdings wieder erst aus Deutschland besorgen.
An dieser Stelle heißt es also Danke und Tschüss sagen zur Werkstatt – die Jungs haben sich wirklich Mühe gegeben und wir waren super aufgehoben!
Wir füllen nochmal Wasser auf und bringen unser Abwasser weg und dann gehts zum zweiten Mal gen Norden entlang des Ufers vom Lake Superior. Ich überlege, ob ich noch einmal an der Pancake Bay übernachten soll….der Spot war wirklich wunderschön, doch ich will kein schlechtes Omen heraufbeschwören, indem ich zur „Unfallstelle“ zurück kehre, also übernachte ich ein wenig weiter auf einem Parkplatz.
Entlang des Ufers vom Lake Superior
Bis Thunder Bay folgt der Transcanada Highway nun dem Ufer des Lake Superior – mal mehr und mal weniger nah. Sieht man nicht die Ausläufe des Great Lakes, so ist es einer der unzähligen kleineren Seen, die sich hier durch die Landschaft ziehen.
Die Gegend zählt mit zum schönsten Streckenabschnitt – nur leider fahre ich ihn an einem Regentag. Ich stoppe dennoch kurz an den Agawa Rock Pictographs – hierbei handelt es sich um rote Zeichnungen der Ureinwohner an den steilen Feldwänden direkt am Lake Superior. Um ganz nah heran zu kommen, muss man über einige Steine klettern – ich probiere es zwar, doch durch den Regen sind sie zu rutschig und ich muss leider umkehren.
Gute 230km hinter Sault Ste. Marie ist der Ort Wawa ein erstes Wiedereintauchen in die Zivilisation – und zugleich eine nötige Zwischenstation für letzte Besorgungen. Ich übernachte am Sandy Beach, bestaune die High Falls im Ort, schieße ein obligatorisches Foto von Wawa`s überdimensionaler Flugente und schlendere entlang des Ufers vom Lake Wawa. Nachdem ich getankt und eingekauft habe, folge ich dem Highway gute 2,5 Stunden in Richtung Marathon. Unterwegs wartet noch ein absoluter Pflichtstop auf mich: im winzigen Örtchen White River gibt es eine Statue von Winnie Pooh. Wusstet ihr, dass der süße kleine Bär nämlich eigentlich Kanadier ist? Die beliebte Kindergeschichte geht auf eine wahre Begebenheit zurück, nach der ein kanadischer Soldat 1914 einen kleinen Schwarzbären von einem Jäger abkaufte und ihn mit nach London nahm. Dort kam «Winnipeg» – kurz «Winnie» in den Zoo, wo sie von Christopher Robin und seinem Vater entdeckt wurde. Und so entstand die Vorlage für das weltberühmte Märchen. Klar, dass man da einen Stop in White River einplanen muss, oder?
Wandern im Pukaskwa Nationalpark
Kurz vor Marathon wartet noch der Pukaskwa National Park auf mich. Hier kann man aus einer Reihe von kurzen Trails wählen – oder sich ein Kanu schnappen und tagelang paddeln gehen. Ich entscheide mich für eine Kombination aus dem Beach Trail, dem Manito Trail und dem Southern Headland Trail – somit komme ich auf eine gemütliche 7km Runde, für die Wallie und ich aufgrund von matschigem Autogrund und zahlreichen Fotostops gute 3 Stunden brauchen. Anschließend fahren wir zum Übernachten weiter nach Marathon.
Die Stadt wirbt für sich mit dem Spruch „Built on Paper, Laced with Gold“, was sich auf die zwei Haupteinnahmequellen des Ortes bezieht. Für mich bietet sich das 3.000-Seelen-Dorf für eine Übernachtung mit Blick auf den Lake Superior und eine Arbeits-Session in der hiesigen Bibliothek an.
Zwischen Marathon und Nipigon ist der Highway wirklich schön – an jeder Ecke taucht ein neuer See auf und dazwischen lugt immer mal wieder der unvorstellbar große Lake Superior auf. Um sich während der Fahrt mal etwas die Beine zu vertreten, bietet sich auch der ein oder andere Stop an: bei den Aguasabon Falls kann man einen Wasserfall bestaunen, der in eine Schlucht stürzt – da der Spaziergang zum Aussichtspunkt jedoch nicht reicht, um Wallie auf seine Kosten kommen zu lassen, spazieren wir noch weiter zum Strand von Terrace Bay. Gute 1,5 Stunden westlicher lockt der Ouimet Canyon Provincial Park zu einem weiteren Stop: auf einer 1km langen Rundwanderung passiert man zwei Aussichtspunkte, die einen ebenfalls in eine tiefe Schlucht blicken lassen. Da kommt man sich als Mensch wirklich klein vor.
Ich beschließe spontan, noch weitere 1,5 Stunden Fahrt dran zu hängen, um es bis nach Thunder Bay zu schaffen. Der Streckenabschnitt ist eher unspektakulär, fast schon ein wenig industriell genutzt. Und dann kommt doch noch ein Highlight um die Ecke: gerade als ich vom Highway abfahre und in die Stadt abbiege – läuft da einfach ein Bär über die Straße. Mein erster kanadischer Bär! (Winnie – bist du’s? ;-))
Ankunft in Thunder Bay
Im Reiseführer steht, dass es sich wie eine angenehme Rückkehr in die Zivilisation anfühlt, wenn man nach über 700km Natur-Highway nach Thunder Bay kommt. Ich hingegen kann es kaum erwarten, mich in die nächsten 700km Natur-Highway nach Winnipeg zu stürzen.
Thunder Bay wirkt schmuddelig und unspektakulär. Die immer gleichen Fast Food Ketten stehen neben Motels und Supermärkten und auf den ersten Blick lockt mich absolut nichts an dieser Stadt. Ich fülle mein Wasser wieder auf, entsorge mein Grauwasser und tanke voll, ehe ich die Nacht auf dem Walmart Parkplatz verbringe.
Dem Regenwetter geschuldet verbringe ich dann allerdings noch einen weiteren Tag in der Bibliothek von Thunder Bay und nutze die Zeit zum Arbeiten.
Bei trockenem Wetter breche ich schließlich Richtung Westen auf und verabschiede mich damit endgültig von der wunderschönen Uferfront des Lake Superior.