12. – 17. Juni 2023
Route 37 – Gitanyow
Der Cassiar Highway ist eine Alternativstraße zum Alaska Highway – ich habe mich entschieden, auf meinem Weg gen Norden über den Cassiar Highway nach Watson Lake zu fahren, von dort nach Whitehorse und Dawson City, anschließend den Dempster Highway hinauf (und hinunter), rüber nach Alaska und über den Alaska Highway durchs Yukon und British Columbia bis zu den Nationalparks Jasper und Banff in Alberta zu fahren.
Klingt nach einem tollen Plan, oder? 🙂
Zunächst einmal geht es von der Kreuzung in Kitwanga aber zielstrebig gen Norden. Gute 800 Kilometer einsame Strecke liegen vor mir. Und so ziemlich genau mit der Kreuzung verschwindet auch der Handyempfang.
Erster lohnenswerter Stop entlang des Highway 37 ist Gitanyow – ein kleines Dörfchen der First Nation, das vom Highway aus mit „World Famous Totems“ wirbt. Naja, darüber kann man sicherlich debattieren, aber die heiligen Totem-Pfähle sind wirklich sehenswert und zudem kann man an der kleinen Tankstelle hier für 1,74 $ noch mal regelrecht günstig auftanken. Beim Bezahlen bekomme ich meinen Kaffee sogar geschenkt – da freut man sich doch direkt.
Unterwegs zum Bear Glacier
Der Highway ist einsam – selten einmal kommt mir ein Auto entgegen. Nicht mal Bären begegnen mir entlang der Straße. An der Meziadin Junction hat man erneut zwei Möglichkeiten: entweder man hält sich zielstrebig Richtung Norden oder man unternimmt einen 140-Kilometer langen Abstecher (hin- und zurück) nach Stewart.
Dabei kommt man nicht nur in den Genuss, tolle Gletscher zu sehen, sondern hat auch die Möglichkeit, das erste Mal einen Fuß auf Alaska-Boden zu setzen. Das möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen 🙂
Allein landschaftlich lohnt sich die Fahrt entlang des Highway 37a schon enorm. Die Berge werden immer eindrücklicher, irgendwie wirken sie eigenartig bemoost und zugleich mit Bäumen bewachsen, hoch oben liegt noch Schnee, weiter unten im Tal rauschen die Wasserfälle – wow! Etwa auf halber Strecke sollte man unbedingt am Bear Glacier halten – hier kann man die Überbleibsel des Gletschers sehen, der einmal den gesamten See eingenommen hat. Schon traurig, wenn man sich die Gletscherschmelze so vor Augen führt.
Ich finde einen Stellplatz für die Nacht unweit vom Gletscher und verbringe eine ruhige Nacht zwischen zwei Wasserfällen. Es irritiert mich immer noch ein wenig, dass bis kurz vor Mitternacht die restlichen Überbleibsel des Tageslichtes durch die Dachluke scheinen – und es bereits um 3 Uhr wieder hell wird. Nicht, dass mich das stören würde – ich kann ja einfach die Verdunklung des Fensters schließen – aber für Menschen mit chronischer Nachtschwärmer-Aktivität ist das eine gefährliche Sache 😉
Stewart und Hyder
Eine halbe Stunde westlich vom Bear Glacier ploppen schließlich wieder die ersten Nachrichten auf meinem Telefon auf – ein kurzes Eintauchen in die Zivilisation! Der kleine Ort Stewart ist der nördlichste, ganzjährig eisfreie Hafen Kanadas. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert war Stewart außerdem sehr bedeutsam in der Minenindustrie – damals lebten etwa 10.000 Menschen hier. Nach dem ersten Weltkrieg fiel diese Zahl auf 500 – und auch heute kann der Ort kaum mehr verzeichnen. Die Gold-, Silber- und Kupfervorkommen in der Region sind reichlich – die Erschließung jedoch langwierig und teuer.
Das kleine Museum in Stewart hat die Geschichte und Problematik sehr gut aufgearbeitet und ist tatsächlich mein erster Stop im Ort. Anschließend fahre ich weiter westlich und passiere die Grenze: welcome to Alaska! Hach, das ging ja schneller als gedacht 🙂
Das noch kleinere Örtchen Hyder bezeichnet sich selbst als die freundlichste Geisterstadt Alaskas – ähnlich wie in Stewart lebten und arbeiteten hier früher mal deutlich mehr Menschen. Beim Durchfahren durch die verwaiste Stadt erlebe ich alle Läden verlassen und geschlossen – lediglich ein kleiner Souvenirshop hat geöffnet und verkauft Bären Fudge, Schmuck und Andenken.
Die Fahrt hierher lohnt sich alleine schon aufgrund des Bildes: „Hyder, Alaska.“ Doch die wahre Sehenswürdigkeit befindet sich 30 Kilometer nördlich von Hyder – der Salmon Glacier.
Salmon Glacier
Kurz hinter Hyder bleibt die Straße nur noch bis zum Fish Creek befestigt – hier kann man während der Saison im Juli und August Bären und Grizzlys dabei beobachten, wie sie Lachse aus dem Fluss fischen. Zum Zeitpunkt meines Besuchs im Juni sind die Lachse noch nicht angekommen – schade, das wäre sicher ein tolles Schauspiel. Die Bären sind allerdings schon da und warten auf ihr Essen – am Straßenrand kann ich einen Grizzly dabei beobachten, wie er sich übergangsweise mit Gras nährt. Mein erster Grizzly, wow! Gut, dass ich im Auto bin 😉
Die restliche Strecke zum Salon Glacier ist dann unbefestigt – zunächst noch ziemlich gut ausgebaut, da die Jeeps und LKWs, die zum größten Arbeitgeber der Region fahren, sie ebenfalls nutzen. Man kommt sich ein wenig seltsam vor, mit seinem Privatfahrzeug gefühlt mitten durch die Granduc-Kupfermine zu fahren, doch das ist nun mal die Fahrt zum Gletscher. Hinter der Kupfermine schraubt sich die Straße dann immer schmaler den Berg hinauf – und knappe 30 Kilometer hinter Hyder erblickt man ihn dann: den gigantischen Salon Gletscher. Wow, was ein Anblick!
Leider komme ich nicht sehr viel näher an den Gletscher heran – die letzten 10 Kilometer bis zum Ende der Straße sind aufgrund von Schnee noch nicht zugänglich, doch alleine für diesen Anblick hat sich die Fahrt auf jeden Fall gelohnt. Zurück geht es auf derselben Strecke – die Wiedereinreise nach Kanada nimmt man tatsächlich sehr ernst, ich muss meinen Pass zeigen und werde gefragt, ob ich Drogen oder Waffen dabei habe. Weil’s auch so viele Möglichkeiten gab, in Hyder etwas zu kaufen…
Kurz vor Stewart erblicke ich dann am Straßenrand meinen ersten Grizzlybären – schon wirklich sehr eindrücklich, den Tieren hier so nah zu sein.
Stewart und die Sache mit dem Strom
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mich den Abend noch ein wenig in Stewart aufzuhalten und mir etwas Wlan zu stibitzen – doch der gesamte Ort wird von einem Stromausfall heimgesucht und damit hat sich das mit der Verbindung leider erledigt. Von jedem Haus ist das laute Brummen eines Generators zu hören, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten – nicht ungewöhnlich, verrät mir eine Einheimische, mit der ich ins Gespräch komme, während ich mit Wallie spazieren gehe. Vor allem im Winter, wenn mal wieder eine Lawine den Berg hinunter gekommen ist, seien sie öfters ohne Strom, teilweise auch mal eine Woche lang. Jetzt im Sommer sei das allerdings recht ungewöhnlich.
Da ich die Nacht nicht zwischen lauten Generatoren verbringen möchte, übernachte ich außerhalb von Stewart auf einem kleinen Wanderparkplatz. Nach einem Spaziergang am nächsten Morgen und den letzten Erledigungen, solange man noch Netz hat, kehren wir Stewart schließlich den Rücken: die unendliche Weite des Cassiar Highways wartet auf uns!
Unterwegs auf dem Cassiar Highway
Wir fahren zurück bis zur Meziadin Junction, wo wir erst mal unsere Scheibe an der Tankstelle putzen müssen. Eine Stunde später sieht sie allerdings schon wieder genauso aus. Es gibt keine Stops auf der Strecke, nirgends wo es sich zu halten lohnt oder man sich etwas anschauen könnte. Doch langweilig ist es trotzdem nicht. Zwar fährt man den überwiegenden Teil der Strecke durch Wald, doch immer wieder blitzen die schneebedeckten Berge auf oder man erhascht einen Blick auf einen türkisfarbenen See. Oftmals sieht man auch Gewässer mit zahllosen Baumstümpfen darin und man kann sie bildlich vorstellen, wie jeden Moment ein Bär oder Elch um die Ecke kommt, um daraus zu trinken.
Hier im nördlichen British Columbia ist man nur Gast – die Natur und die Tiere haben das Gebiet in ihrer Macht und das ist gut und richtig so. Es fühlt sich toll an, all das sehen zu können, ohne eine Spur oder einen Schaden zu hinterlassen.
Den einzigen Anflug von Zivilisation während knapp 300 Kilometer Strecke habe ich an der Tankstelle an der Meziadin Kreuzung und an der Bell 2 Lodge – einer Unterkunft hauptsächlich für die Arbeiter der Umgebung, die zudem eine Tankstelle, Verpflegung und WLAN für Reisende anbietet. Für lediglich 6 $ (plus Steuern) darf man sich 30 Minuten mit der Welt da draußen verbinden – ich entscheide, dass ich mich gut ohne diese Verbindung fühle und setze meine Fahrt fort.
Am Eddontenajon See finde ich eine idyllisch gelegene Parkmöglichkeit direkt am Wasser und verbringe die Nacht umgeben von Seegeplätscher und herrlichen Bergen.
Vom See fahre ich weiter nördlich. Bei Iskut wir der Highway kurzzeitig unbefestigt – und ich muss lachen, wie die zwei Autos vor mir im Schneckentempo durch die Schlaglöcher fahren und uns just in dem Moment ein Truck mit 80 km/h entgegen kommt, der einfach über die Löcher hinweg brettert. Ja, das richtige Fahrzeug macht einen riesigen Unterschied.
Am Dease Lake gibt es ein College, das tagsüber gratis WLAN zur Verfügung stellt, das nutze ich, um mich mal kurz mit der Außenwelt zu verbinden. Ansonsten mache ich wieder einiges an Strecke und übernachte bei einem kleinen Jade Geschäft, das einen gratis RV Park und WLAN anbietet. So gerne wie ich offline bin und in der Natur stehe – aber wenn man schon die Gelegenheit hat, gratis Internet im Camper zu haben, dann lässt man sich das nicht entgehen.
Die letzten 2 Stunden bis Watson Lake sind dann allerdings auch fast ein bisschen unspektakulär – der Boya Lake überrascht mit seinem türkisfarbenen Wasser, doch leider fängt es just in diesem Moment wieder an zu regnen, sodass wir keinen großen Spaziergang unternehmen.
Hinter dem Boya Lake ist die Landschaft von Waldbränden gekennzeichnet und wird zunehmend flacher. Kurz vor Ende des Cassiar Highways überquert man die Grenze zum Yukon – das schreit doch nach einem Fotostop.
Von hier sind es nur noch wenige Kilometer, bis man auf den Alaska Highway trifft – das Abenteuer geht weiter!
Wunderschöne Fotos, aber es ist schon ganz schön einsam in der Gegend.