Whitehorse

22. Juni – 20. Juli 2023

Am seidenen Faden nach Whitehorse

Nach einer Nacht im Hotel in Atlin beginne ich am nächsten Tag mit dem Herumtelefonieren – ein Telefonat mit Fabian, meinem Mechaniker von zu Hause bestätigt die Vermutung, dass es sich wohl um die Kupplung handeln könnte. Ich finde eine Werkstatt in Whitehorse, die scheinbar einen deutschen Mechaniker besitzt und beschließe, dass dies wohl meine beste Wahl ist.

Barry – der Polizist – fährt mich zurück zu meinem Camper, wo ich auf Ian warte. Wir hatten ursprünglich gedacht, einen Trailer in Whitehorse zu mieten, auf den wir meinen Camper laden und ziehen könnten – allerdings sind diese nur bis 2500 kg zugelassen und mein Van ist damit zu schwer. Wir greifen also auf das Abschleppseil zurück – zugegebenermaßen ist uns beiden nicht so ganz wohl dabei, auf die Art 150 Kilometer durch die Berge und auf dem Highway zurück zu legen, doch nach den ersten vorsichtigen Metern müssen wir feststellen, dass es besser funktioniert als gedacht.

Wir schaffen es auf diese Art bis kurz vor Whitehorse, wo wir auf einem Parkplatz am Fluss übernachten – die Werkstätten haben an diesem Tag schon alle geschlossen, weswegen wir am nächsten Morgen gleich früh vor der Tür stehen wollen. Dumm nur, dass diese verschlossen sind. Der Mechaniker hat sich ausgerechnet für diesen Tag frei genommen. 

Wir greifen auf eine andere Adresse zurück, die wir von Reisenden empfohlen bekommen haben – und haben mehr Glück. Troy, der Inhaber, schaut sich meinen Wagen an und ist sich ebenfalls sicher: die Kupplung muss getauscht werden. Somit habe ich einen klaren Bestellauftrag, den ich an Fabian weiterleiten kann und kann alles in die Wege leiten, damit die benötigten Ersatzteile von Deutschland nach Kanada verschickt werden können.

Nun bleibt nur noch die Frage, wo ich die Zeit bis zum Eintreffen der Ersatzteile aussitzen kann – Ian schlägt einen Campingplatz etwas außerhalb der Stadt vor. Da er keinen Zeitdruck hat und es ihm irgendwie Leid tut, mich alleine zu lassen, beschließt er, bei mir zu bleiben. Das ist unfassbar lieb von ihm, auf die Art bin ich dennoch mobil, wir können ein paar Ausflüge unternehmen und ich bin nicht ganz allein in dieser Situation.

STUCK in Whitehorse

Nervig ist es dennoch: mir geht wertvolle Zeit verloren, die ich eigentlich für den Dempster Highway gebraucht hätte. Da sich die Lieferung der Ersatzteile in Deutschland sogar noch verzögert, steht es sogar auf der Kippe, ob ich rechtzeitig in Alaska ankommen werde, um meine Freundin Anne vom Flughafen abzuholen.

Die Stimmung ist gedämpft. Zwar versuche ich die Zeit zu nutzen und liegen gebliebene Arbeitsdinge zu erledigen – doch eine ständige Sorge ist im Hinterkopf. Wie lange brauchen die Teile noch? Kann die Werkstatt alles einbauen? Wo soll ich stehen, wenn die maximal erlaubten 15 Tage auf dem Campingplatz ausgeschöpft sind? Bekomme ich hier in den schattigen Wäldern genügend Solar rein, um langfristig meine Batterie im Auto am Laufen zu halten?

Die Tage ziehen ins Land. Die ursprüngliche Lieferung der Ersatzteile verzögert sich vom 29.06. auf den 06.07. – und damit sind die Teile ja erst einmal nur in Deutschland. Ich vergleiche Verschiffungsoptionen, Preise und Lieferzeiten – zwischenzeitlich steht sogar mal im Raum, dass Martin eingeflogen kommt und mir die Teile mitbringt.

Währenddessen tüftel ich die besten Joggingrunden am Yukon River aus, widme mich dem Schreiben, lerne Holz hacken, mache jeden Tag ein Lagerfeuer und verbringe Zeit mit Ian. Im Laufe der Zeit kommt auch Alex in Whitehorse an und verbringt ein paar Tage mit uns auf dem Campingplatz. Und am Ende stößt sogar noch Björn zu uns, der bereits wieder auf der Rückreise von Alaska ist. Vier Camper, drei Deutsche, ein Kanadier und 5 Hunde – was für eine Truppe!

Ein Paket auf großer Reise

Am 07. Juli sind schließlich endlich alle Ersatzteile zusammen – da die Flüge aber einfach zu voll gebucht sind, um ein Standby-Risiko einzugehen, entscheide ich mich für den Express-Versand, der das Paket innerhalb von 2 Werktagen nach Whitehorse bringen soll. Ich hab da zwar ein bisschen meine Zweifel, da Whitehorse schon wirklich sehr abgelegen ist – aber mehr als Hoffen, dass auch mal etwas glatt läuft, kann ich im Endeffekt nicht.

Ich buche über den Internetdienst Jumingo und angeblich soll am Freitag noch ein Kurier vorbei kommen und das Paket abholen – kaum habe ich die Bestellung abgeschickt, erhalte ich allerdings eine Mail, dass kein Kurier mehr für meine Region verfügbar ist und das Paket am Montag Nachmittag abgeholt werden könnte.

Ich wäre am Liebsten im Dreieck gesprungen. Während des Telefonats mit Jumingo erfahre ich, dass ich das Paket auch einfach selber bei einer DHL Express Filiale abgeben könnte, wenn ich nicht auf den Kurier warten möchte – und da Martin gerade glücklicherweise zu Hause ist, erklärt er sich bereit, das Paket am nächsten Morgen die 1.5 Stunden nach Villingen zu fahren. Auf die Art hoffen wir, den Prozess etwas beschleunigen zu können.

Die Ersatzteile machen sich anschließend erst mal auf Europareise – Kassel, Leipzig, Luton, London stehen auf dem Plan. Und dann endlich die erlösende Nachricht: sie sind in Vancouver angekommen, ich werde aufgefordert, 66 CAD Zollgebühr zu bezahlen, bevor sie auf den weiteren Weg nach Whitehorse geschickt werden. Es geht voran!

Umzug in die Stadt

Langsam wird es auch Zeit, dass sich etwas tut. Ich bin seit fast 3 Wochen in Whitehorse und abgesehen davon, dass ich langsam wirklich wieder meine Selbstständigkeit haben möchte, wird es auch immer knapper, Anne in Alaska abzuholen.

Schließlich stellt auch der Parkranger des Campingplatzes fest, dass wir ja eigentlich nur 14 Tage bleiben dürfen – ich verhandel noch eine kleine Verlängerung, aber schließlich müssen wir den Platz verlassen – da ich hoffe, dass die Teile bald in Whitehorse eintreffen, steuern wir einen kostenfreien Parkplatz Downtown an. Also wieder ab ans Seil und auf in die Stadt. Mittlerweile sind Ian und ich ein eingespieltes Team, auch wenn wir glaube ich beide nicht traurig sind, wenn das Abschleppen endlich ein Ende hat.

Der Parkplatz in Whitehorse ist voll, laut und wird am Abend von den örtlichen Füchsen frequentiert, die in einem verlassenen Haus leben – gleich am ersten Abend legt Wallie sich mit einem Fuchs an und trägt einige Kratzer davon. Zeit, wieder den „Cone of Shame“ herauszuholen, um ihn vom Kratzen und Lecken abzuhalten. 2023 ist wirklich eine Challenge bisher.

Der Vorteil daran, die restliche Zeit, bis die Ersatzteile eintreffen, in der Stadt abzusitzen ist allerdings, dass ich endlich mal die Gelegenheit habe, mir effektiv auch etwas von der Stadt anzuschauen. Die verkehrsberuhigte Innenstadt ist durchaus ganz hübsch anzusehen und man kann bis zum Schiff der S.S. Klondike laufen. Auch ein bisschen außerhalb von Whitehorse gibt es im Mill Canyon tolle Spaziermöglichkeiten.

Ich verbringe eine gesamte Woche auf dem Parkplatz – tagsüber nutze ich die Zeit in der Bibliothek, den Abend verbringe ich am Yukon River. Könnte entspannt sein, wenn ich nicht so ungeduldig wäre und mir nicht die Zeit davon laufen würde.

Ursprünglich hieß es, die Ersatzteile sollen am 18. Juli ankommen – nachdem die Post morgens allerdings nichts in der Werkstatt abliefert, starte ich einen Telefonmarathon. Ich selber kann das Paket seit Vancouver nicht mehr tracken, da die Auslieferung an einen Drittanbieter weitergeleitet wurde – das war allerdings vor einer Woche. Wo also ist mein Paket?
Am Telefon erfahre ich, dass die Kupplung statt im nächsten Flugzeug zwischen Vancouver und Whitehorse auf einem LKW gelandet ist – und somit knapp 30 Stunden Fahrstrecke vor sich hat. Die voraussichtliche Zustellung sei arm 27.07. Ich glaube, ich hör nicht richtig.

Ich habe mich gerade halbwegs damit abgefunden, als Troy von der Werkstatt in Whitehorse mir am späten Nachmittag schreibt, die Teile seien gerade angekommen – mir fallen wahre Steine vom Herzen.

Ein Ende in Sicht

Am nächsten Morgen starten Ian und ich eine letzte Abschlepp-Aktion in die Werkstatt – dann übergebe ich meinen Camper in Troys Hände und hoffe auf das Beste. Für die Nacht bekomme ich Unterschlupf in Ians Camper – und wir verbringen noch mal eine Nacht auf dem Wolf Creek Campground, wo wir ja bereits die ersten 2 Wochen verbracht haben. Irgendwie lustig, dass unsere gemeinsame Zeit quasi dort endet, wo sie auch angefangen hat.

Nach zwei Tagen Schrauben und Basteln ist die Kupplung getauscht – und zudem habe ich neue Reifen, einen Ölwechsel und ein tiptop fahrtaugliches Auto. Ich kann gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin! Endlich kann die Reise weitergehen. Insgesamt hat die gesamte Aktion 3.200€ gekostet – Ersatzteile, Verschiffen, Einbau. Keine günstige Angelegenheit…aber am Ende zählt, dass es endlich weiter gehen kann.

Auf gehts nach Alaska!!

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2 Comments

  1. Hallo ihr Weltenbummler, ich hoffe es geht euch gut und ihr seid unterwegs. Bin etwas irritiert, dass es nach Whitehorse keine Neuigkeiten gibt. Ich bin auf der Uielgeraden und fliege am 16.10. zurück nach Deutschland.
    Viele Grüße
    Hartwig

    • Hallo Hartwig,
      Es geht uns hervorragend, die letzten Wochen waren unglaublich reiseintensiv und erlebnisreich, da blieb keine Zeit Artikel zu veröffentlichen. Das hole ich aber ganz bald nach 🙂
      Ich hoffe, du konntest deine Reise genießen und wünsch dir eine gute Heimfahrt!
      Liebe Grüße

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