14. – 22. August 2022
Au revoir, Montreal
Ob ich noch damit gerechnet habe, Montreal jemals endgültig zu verlassen?
Ich habe es gehofft, ja. Doch die letzten Wochen haben durchaus das Gefühl aufkommen lassen, dass die Stadt uns hier behalten möchte.
Erst die lange Werkstatt-Suche, dann die Fehlerdiagnose bei Markus, die Ersatzteil-Beschaffung zu Hause, die Reparatur, das Drama um die Vorglühkerzen und die niederschmetternde Diagnose, dass Alex Van noch nicht repariert ist und es weitere Ersatzteile braucht.
Auf diese haben wir nun abermals lange gewartet und nun erfahren, dass es Lieferschwierigkeiten gibt und sie so schnell nicht eintreffen können. Daher haben wir entschieden, die Reise fortzusetzen und die Teile einbauen zu lassen, wenn sie dann mal eingetroffen sind. Vielleicht in Toronto. Vermutlich aber eher in Winnipeg.
Und ja, so fühlt es sich fast ein wenig unwirklich an, dass der Moment tatsächlich gekommen ist, in dem wir Montreal verlassen.
Die Fahrt führt gen Osten, vorbei am Parc Omega, zielstrebig nach Ottawa. Ich möchte nicht nur Montreal verlassen, sondern auch Quebec. Nichts für ungut, aber ich mag kein französisch mehr hören, ich möchte mich so gerne wieder auf englisch unterhalten und mich wieder mehr wie in Kanada, als wie in Frankreich fühlen.
Und so warte und warte und warte ich die ganze Zeit auf dem Highway, dass unterwegs endlich mal das Schild kommt, welches meine Ankunft in der nächsten Region ankündigt:
WELCOME TO ONTARIO.
Doch schließlich parke ich auf dem ausgesuchten Parkplatz, um mir Ottawa anzuschauen und es ist immer noch alles französisch um mich herum. Gleich in der Nähe befindet sich eine Touristeninformation und ich gehe hinein, um mir einen Stadtplan zu holen.
„Bonjour!“
„Ähm…hi. Do you speak English?“
Die nette Dame in der Information erklärt mir, dass Ontario eigentlich schon längst begonnen hat – nur eben auf der anderen Seite des Ottawa-Rivers. Auf dieser Seite des Flusses zieht sich Quebec noch eine ganze Weile – und somit auch die französische Sprache.
Ottawa, Kanadas unbekannte Hauptstadt
Ich spaziere also über die Alexandra Bridge und sehe auf der gegenüberliegenden Seite die ersten beeindruckenden Ausblicke auf Kanadas Hauptstadt. Der Parliament Hill thront majestätisch oberhalb vom Ottawa River und gibt wahrlich ein tolles Bild ab.
Gleich rechts der Brücke gelangt man zum Rideau Dock, wo der extra zwischen Kingston und Ottawa angelegte Kanal mehrere Schleusen überwinden muss. Von hier kommt man weiter zum Parliament Hill und kann zwischen dem East und West Block hin und her schlendern. Aktuell befindet sich dort eine ziemliche Baustelle, was die Optik (und Akustik) ein wenig stört, doch das Beeindruckende von Kanadas Regierungshauptsitz ist dennoch nicht zu übersehen.
Weiter geht es bis zum elektrischen Schleusenwerk, wo der Wasserstand des Ottawa Rivers geregelt wird und hier hinüber auf die Brücke nach Gatineau (welcome back to French Quebec). Ich laufe auf dieser Seite zurück zum Auto und genieße noch ein wenig die Aussicht auf Ottawa.
Die Nacht verbringe ich auf einem ruhigen Parkplatz etwas außerhalb der Stadt. Ich bin früh wach und fahre dieses Mal mit dem Auto nach Ottawa hinein – und da ist es dann endlich: das lang ersehnte Schild von Ontario!
Ich fahre kurz an der Rideau Hall vorbei und durch den Rockcliffe Park, wo angeblich die Reichen und Schönen Kanada wohnen. Ich entdecke allerdings keinen, dafür stelle ich fest, dass ich genau auf der gegenüberliegenden Flussseite von meinem Schlafplatz bin. Tja, das Gras auf der anderen Seite ist wohl tatsächlich grüner 😉
Meinen letzten Stop in Ottawa lege ich beim Laurier House ein. Hierbei handelt es sich um das Wohnhaus zweier kanadischer Ministerpräsidenten. Dank dem Parcs Pass Canada kann ich das Museum gratis besichtigen – und bekomme eine exzellente Führung ganz für mich alleine von zwei kundigen Mitarbeitern. Das Haus ist möglichst originalgetreu erhalten worden und gibt einen schönen Einblick in das Leben der zwei Staatsoberhäupter. Laurier und seine Frau Joey starben hier, danach bewohnte William King das Haus bis ins Jahr 1950.
Am Eindrücklichsten fand ich die große Bibliothek im obersten Stockwerk und das selbst spielende Piano von Zoey Laurier. Das war tatsächlich das erste Mal, dass ich so etwas gesehen habe.
Damit habe ich einen schönen Abschluss mit Kanadas Hauptstadt und fahre weiter gen Süden Richtung Saint Laurent Fluss. Hier liegt das hübsche Örtchen Brockville, welches über eine besondere Sehenswürdigkeit verfügt: den ersten Railway Tunnel, der 1860 eröffnet wurde. Heute ist das Meisterwerk hübsch aufgearbeitet und eine Lichtershow und eingespielte Musik sorgen für tolle Effekte.
Kingston – Kanadas alte Hauptstadt
Die Nacht verbringe ich ganz unromantisch auf einem Parkplatz kurz vor dem Thousand Island Nationalpark. Am Morgen arbeite ich eine Runde am Laptop und mach mich dann auf den Weg durch den Nationalpark. Wenngleich man eigentlich ein Tagesticket bräuchte, erblicke ich nirgends das Tickethäuschen – mal ganz abgesehen davon, hätte ich den Eintritt im Parcs Pass ohnehin abgedeckt, ich bin mir also keinerlei Schuld bewusst.
Der Thousand Islands Parkway verläuft parallel zum Highway und ist dringend zu empfehlen, da er einige schöne Ausblicke auf den Saint Laurent Strom und seine namensgebenden Inseln bietet. Zentrum des Parks ist Rockport, von wo zahlreiche Schiffsfahrten starten – angesichts von sage und schreibe 9 Bussen inklusive den dazugehörigen Menschenmassen suche ich jedoch schnell das Weite. Das sind ja Zustände wie zu meinen besten Reiseleiter-Zeiten 😉
Kurz hinter Rockport führt eine mautpflichtige Brücke hinüber nach Hill Island und in die USA. Auf halber Strecke gibt es einen Aussichtsturm, den man schon von Weitem erspähen kann und der einen tollen Blick auf die Inseln bieten soll.
Mein Weg hingegen führt mich ins kleine Gananoque und von dort weiter nach Kingston. Ich verbringe den restlichen Tag in der Public Library zum Arbeiten und schlafe auf einem großen, ruhigen Parkplatz direkt am Fluss.
Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass es hier sogar gratis Duschen gibt – da sagt man als Camper doch nie Nein 😉 Ich stelle noch einen Artikel fertig und mache mich anschließend an die Erkundung von Downtown. Das Gebiet um die markante City Hall ist klein und überschaubar – lange hat sich Kingston nicht als Hauptstadt gehalten, denn die Kanadier befürchteten, dass die Stadt aufgrund ihrer Nähe zu den USA zu schnell eingenommen werden könnte. Heute ist hier eine große Militärschule und das Fort Henry oberhalb der Stadt, welches an die damalige Bedeutung erinnert. Auch das Ende des Rideau Kanals befindet sich in Kingston – da ich mir den Kanal bereits in Ottawa angesehen habe, möchte ich das entsprechende Gegenstück gerne ansehen und baue einen kleinen Abstecher zum Kanal mit ein.
Anschließend führt mich der Weg relativ unspektakulär entlang des Highways bis vor die Tore Torontos. Hier bin ich das erste Mal in meinem Leben auf einer 10-spurigen Autobahn unterwegs. Ich frage mich noch, wo die Spuren auf einmal alle herkamen, plötzlich war ich einfach mittendrin und überrascht, wie gelassen ich das alles händel.
Ich treffe Alex und Wallie auf dem Parkplatz des Rouge Beach und die Wiedersehensfreude ist gross. Hier am Rouge Beach kann man sehr schön am Lake Ontario entlang spazieren und man hat fast ein wenig den Eindruck, man sei am Meer.
…und wo hast du deinen Camper so ausgebaut?
Nach der morgendlichen Gassirunde geht es mit beiden Campern zu Cody in die Stadt. Ambers Bruder hatte uns angeboten, dass wir Pakete zu ihm schicken können, weswegen dort drei neue Wasserkanister auf Alex warten. Mit dem riesigen Paket im Schlepptau fahren wir weiter zum Walmart Parkplatz, den wir für die nächsten zwei Nächte unser zu Hause nennen werden. Direkt nebenan befindet sich ein Baumarkt und so sind wir gut aufgestellt für eine kleine Bastelei an Alex Camper: sie bekommt eine neue Trockentrenntoilette und die Filter von Riva verbaut, damit sie zukünftig ihr Wasser auch direkt aus dem Hahn trinken kann. Leider haben wir dabei jedoch nicht beachtet, dass ihre Tauchpumpe nur 0,8 Bar hat – die Rivafilter benötigen jedoch einen Mindestdruck von 1 Bar, sodass sich Alex Pumpe relativ schnell verabschiedet. Aber Klempner wie wir sind, schließen wir ihr Wasser einfach vorerst erneut ohne die Filter an, damit sie zumindest fließendes Wasser im Camper hat, bis eine neue Tauchpumpe besorgt ist.
Und während wir so am Basteln auf dem Baumarktparkplatz sind und gerade überlegen, wie wir die Latten mit einem geraden Schnitt zugesagt bekommen, spricht uns ein Handwerker mit einer Säge in der Hand an und fragt, ob wir eventuell Hilfe bräuchten. Tonny, so der Name des netten Helfers, schenkt uns daraufhin einfach mal vier Stunden seiner Zeit und bohrt, schraubt und sägt mit uns, was das Zeug hält. Es sei sein großer Traum, auch einen Camper zu haben und er hätte so Freude daran, uns zu helfen. Das Trinkgeld nach seinem Einsatz weigert er sich anzunehmen, stattdessen drückt er uns und wünscht uns eine gute Reise.
Am nächsten Tag fahren wir zum Flughafen, um Sebastian abzuholen, der Alex für drei Wochen besuchen wird. Wir schlafen auf dem Parkplatz eines öffentlichen Schwimmbads, wo am Abend Stinkiere, Waschbären und ein Fuchs durch den Park laufen, als wäre es ein Freiluftzoo.
Und dann endlich haben wir die Zeit, uns der Stadt zu widmen, in dessen Vororten wir mittlerweile vier Nächte verbracht haben: Toronto.
Toronto – zwischen Lake Ontario, CN-Tower und Nathan Phillips Square
Die Parkplatzsituation in Toronto ist wie in fast jeder Großstadt ziemlich schwierig, daher fahren wir nur mit meinem Camper in die Stadt hinein und parken an der Waterfront. Von hier aus stellen wir unsere Erkundungen zu Fuß an – entlang der Waterfront mit tollen Blicken auf die Skyline spazieren wir zum markanten CN-Tower. Hier befindet sich auch das Rogers Stadium, in dem Baseball-Spiele ausgetragen werden. Und angesichts der Menschenmassen und des Polizeiaufgebots findet gerade eines statt.
Um dem plötzlich einsetzenden Regen zu entgehen, flüchten wir in die Underground City. Ähnlich wie schon in Montreal haben wir aber das Gefühl, einfach in einem Einkaufscenter gelandet zu sein und können dem Ganzen relativ wenig abgewinnen, weswegen wir bei der erstbesten Gelegenheit wieder ans Tageslicht fliehen.
Mit eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten ist der Nathan Phillips Square, wo sich das hübsche alte Rathaus befindet und ein Toronto-Schriftzug vor Instagram-würdiger Kulisse. Klar, dass hier entsprechend viel los ist, zumal gerade die Dunkelheit einsetzt und sich dadurch besonders schöne Lichtspiele ergeben.
Ursprünglich wollten wir bis Chinatown laufen und dort lecker Asiatisch essen gehen, doch uns allen tun bereits die Füße weh und der Rückweg ist lang. Daher kehren wir einfach auf eine schnelle Pizza ein und sind froh, als wir am Auto ankommen.
Stadtspaziergänge (vor allem mit Hund) sind einfach tausend Mal anstrengender als eine lange Wanderung.
Wieder sehr schöne Fotos.
Die Klempnerarbeiten lassen sich im Kleid als Arbeitskleidung besonders gut erledigen 😉
Hallo Jana, ich hoffe ihr seit wohl auf. Ich bin morgen in Toronto und auf der Suche nach einem Stellplatz. Es gibt einen RV Burgess Park. Das RV scheint aber eine andere Bedeutung zu haben. Und ans Telefon geht niemand. Wo habt ihr übernachtet und Downtown geparkt?
LG
Hartwig
Hi Hartwig,
suchst du einen Campingplatz oder etwas zum Freistehen? Check mal die App iOverlander, da findest du eigentlich für alle Bedürfnisse etwas. Anbieten würde sich zum Beispiel der Rouge Beach Park östlich von Toronto, ansonsten ist auch Streetparking in der Stadt möglich. Tagsüber haben wir am Queens Quay kostenpflichtig gestanden, von dort kannst du die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Toronto zu Fuß erreichen. Viel Spaß beim Erkunden 🙂